“Anne Will” – Annalena Baerbock zeigt sich unbeeindruckt von Putins Drohung

Wie weit wird Putin gehen, was kann der Westen tun? Bei “Anne Will” verteidigte Annalena Baerbock die Nato-Weigerung, direkt einzugreifen, zeigte sich aber offen für polnische Flugzeuglieferungen. 

Bevor sie in einer viertelstündigen Schalte Annalena Baerbock zum Ukraine-Krieg befragte, spielte Anne Will drastische Sätze von Wolodymyr Selenskyj ein: “Alle Menschen, die von heute an sterben, werden auch Ihretwegen sterben”, hatte der ukrainische Präsident den Nato-Außenministern angesichts ihres Neins zu einer Flugverbotszone über der Ukraine entgegengeschleudert.

“Natürlich treffen einen solche Worte ins Herz”, bekannte die deutsche Außenamtschefin. Das Leid in der Ukraine zu sehen, “das zerreißt mir auch persönlich das Herz”, so Baerbock. “Das sind Momente in der Außenpolitik, wo man nur zwischen Pest und Cholera wählen kann.”

Und dennoch gelte es, “einen kühlen Kopf zu bewahren”. Denn die Einrichtung einer Flugverbotszone würde bedeuten, dass die Nato russische Flugzeuge abschießen müsste, was hieße, dass “wir als Deutsche, als Italiener, als Franzosen direkt in diesen Krieg involviert” wären. Das sei nicht verantwortbar.

Die Gäste 

  • Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin (kurz zugeschaltet)
  • Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission (zugeschaltet)
  • Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland
  • Alexander Graf Lambsdorff (FDP), stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Egon Ramms, General a. D. des Heeres der Bundeswehr

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Zur ebenfalls von der Ukraine geforderten Lieferung von Kampfflugzeugen äußerte sich Baerbock nicht kategorisch ablehnend, verwies aber auf das Problem, dass die ukrainische Armee lediglich Flugzeuge sowjetischen Typs nutzen könne, über die in Europa aktuell nur noch Polen verfüge.

Es liefen Vorbereitungen, wie Polen diese Flugzeuge liefern könne, ohne selbst nicht mehr verteidigungsfähig zu sein. Über Ersatzflugzeuge für die polnische Armee habe man im Nato-Außenministerrat, im EU-Rat und mit den Amerikanern gesprochen.

Baerbock fügte hinzu: “Wir werden nicht alles, was wir planen an Unterstützung, öffentlich verkünden können.” Dies betreffe auch die Frage, auf welchen Wegen der Ukraine Abwehrraketen geliefert werden.

Auf Anne Wills Einwurf, der russische Präsident Wladimir Putin habe bereits die Wirtschaftssanktionen mit einer Kriegserklärung gleichgesetzt, gab sich die Außenministerin unbeeindruckt: Ja, Putin werte die Maßnahmen als Aggression. “Aber das, was er tut, ist Aggression hoch 1.000.”

In Bezug auf die Option, alle Öl-, Gas- und Kohlelieferungen aus Russland einzufrieren, gab Baerbock zu bedenken, dass ein solcher Importstopp “auf Monate tragen” müsse. Deshalb sei diese Sanktion gut vorzubereiten, auch “damit alle Länder zeitgleich mitziehen” könnten: “Wir müssen das als Weltgemeinschaft gemeinsam tun.”

Dieser Position schlossen sich der aus Brüssel zugeschaltete Vizepräsident der Europäischen Kommission Frans Timmermans und der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff an: “Ich teile völlig die Analyse der Bundesministerin”, so Timmermans. “Wir können es uns nicht leisten, das Risiko einzugehen, dass wir in einen Atomkrieg mit den Russen gelangen.”

Lambsdorff pflichtete bei: “Wenn wir in eine direkte Konfrontation gehen, (…) sind wir an der Schwelle zum Atomkrieg.” Er formulierte zudem eine Antwort auf die Titelfrage der Sendung (“Wie weit wird Putin gehen?”): Der Kremlherrscher werde “vor der Artikel-5-Schwelle, also dem Beistandspakt der Nato, Schluss machen”.

Kämpferischen Widerspruch formulierte dagegen einmal mehr Andrij Melnyk, der Botschafter der Ukraine in Deutschland: “Nicht tragbar” sei das Argument mit dem dritten Weltkrieg. Die Sorge der Nato-Staaten, selbst involviert zu werden, sei nur “eine Ausrede”, man könne durchaus “eine kreative Lösung finden”.

Eine Woche sei vergangen seit der von Bundeskanzler Olaf Scholz verkündeten “Zeitenwende”, aber aus Sicht der Ukraine sei das “nur eine leere Worthülse”. Bislang habe sein Land lediglich 50.000 Esspakete erhalten.

“Ich glaube, da müsste bisschen mehr geschehen.” Der Diplomat warb um Zutrauen in den Widerstand seines Landes: “Wir haben über 280 russische Panzer vernichtet. Das sind mehr, als die Bundeswehr heute hat.” Mit zusätzlichem Material könne man Putin zeigen, “dass dieser Krieg am Boden gar nicht zu gewinnen ist”. Die Politiker in Berlin müssten aufwachen und begreifen: “Es lohnt sich, uns zu helfen.”

Einen einfachen Ausweg aus der Krise vermochte erwartungsgemäß niemand aufzuzeigen. Einigkeit bestand indes darüber, dass Moskau den Kampfeswillen und die Moral der Ukraine unterschätzt habe. “Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Ukraine, das Volk und die Streitkräfte diesen Krieg gewinnen können”, erklärte Egon Ramms, General a. D. des Heeres der Bundeswehr.

Putin werde es nie gelingen, die Ukraine zu kontrollieren, prognostizierte Frans Timmermans: “Er wird gestoppt werden, aber von wem ist die Frage”, so der niederländische Sozialdemokrat. Er verlieh seiner Hoffnung auf Widerstand in der russischen Bevölkerung und im Machtapparat Ausdruck.

“Russland hat keine Chance, den Frieden zu gewinnen”, formulierte es Alexander Graf Lambsdorff, äußerte aber zugleich die Sorge, “dass die russische Seite aus Verzweiflung über die Langsamkeit des Vormarsches die Grausamkeit erhöht”.

Dieser düsteren Prognose schloss sich der frühere Nato-General Ramms an: “Putin wird nicht nachgeben, sondern weiter versuchen, vorwärts zu marschieren. Und er wird dabei durch Bombenangriffe, durch Beschuss die Städte und damit die Zivilbevölkerung als Geiseln nehmen.”

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