Bundesregierung will 200 Milliarden für Unabhängigkeit und Klimaschutz ausgeben

Weniger Importe, gleichzeitig mehr Klimaschutz: Angesichts der aktuellen Lage gleicht dieses Vorhaben einem Spagat. Klimaminister Habeck und Finanzminister Lindner einigten sich nun auf einen Plan.

Die Bundesregierung will in den kommenden Jahren 200 Milliarden Euro für die Klimawende und eine größere Unabhängigkeit von Öl- und Gas-Importen ausgeben. Darauf haben sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) in den laufenden Haushaltsberatungen für 2022 und die folgenden Jahre verständigt, bestätigten beide am Sonntag.

Röttgen: Importstopp jetzt

Angesichts des Ukraine-Krieges und der internationalen Sanktionen gegen Russlands mehren sich die Forderungen nach einem Stopp der Energieimporte nach Deutschland. So forderte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen: “Wir müssen alles, was in unserer Macht steht, tun, um die Ukrainer in ihrem Kampf gegen Putin und für die Freiheit zu unterstützen”. In einem Gastbeitrag im “Tagesspiegel” (Montagausgabe) appellierte an die Bundesregierung, die Gas- und Ölimporte aus Russland “jetzt” zu stoppen.

CDU-Vize Karin Prien pflichtete Röttgen bei. Er habe recht, erklärte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin am Sonntagabend. Russlands Gas- und Ölgeschäft müsse jetzt gestoppt werden. “Und das sollten wir mit unseren europäischen Partnern beraten und gemeinsam tun”, sagte Prien.

CDU-Chef Friedrich Merz hingegen dementierte Überlegungen in Richtung eines Importstopps: “Wir erwägen im Augenblick eine Verschärfung der Sanktionen Richtung Verzicht unsererseits auf Energielieferungen aus Russland nicht”, hatte Merz am Samstag gesagt. “Aber wir sind offen, wenn sich dieser Krieg fortsetzt, wenn auch die Grausamkeiten an der Zivilbevölkerung sich fortsetzen sollten, dass wir dann auch zu diesem Mittel greifen müssten.”

Habeck: “Der nächste Winter bereit mir Sorgen”

Sowohl Röttgen als auch Wirtschafts- und Klimaminister Habeck gehen davon aus, ausbleibende Lieferungen aus Russland vorerst überbrücken zu können. “Das Frühjahr und den Sommer werden wir gut bestehen können, aber der nächste Winter bereitet mir noch ein bisschen Sorgen”, so Habeck in der ZDF-Sendung “Berlin direkt”. Obwohl er für den Ausstieg aus der Atomkraft sei, prüfe man deswegen, ob ein längerer Betrieb der Atomkraftwerke in Deutschland etwas nützen würde. “Aber nachdem, was man absehen kann, ist das nicht der Fall.”

Mit Blick auf Kohlekraft sagte Habeck, es sei für den Fall der Fälle eine Möglichkeit, “Kraftwerke in der Reserve zu halten”. Sie sollten aber nicht weiter laufen. “In der Reserve heißt, sie werden vorgehalten, sie werden nicht verschrottet, aber sie sind nicht mehr am Betrieb.” Er betonte, man müsse darauf hinarbeiten, möglichst unabhängig von fossilen Energien zu werden. Mit Blick auf das Klima sagte Habeck: “Wir haben ja die andere Krise, die wir nicht aus dem Kopf verlieren dürfen.”

200 Milliarden in den nächsten vier Jahren

Der Nachrichtenagentur Reuters sagte der Klimaminister, dass die Bundesregierung für Energiesicherheit und Klimaschutz bis 2026 mehr als 200 Milliarden Euro zur Verfügung stellen wolle. Das sei ein schöner Erfolg nach intensiven Verhandlungen. “Dringender denn je müssen wir in unsere Energiesouveränität investieren.”

Lindner sagte in der ARD, das Geld solle etwa für den Aufbau von E-Ladesäulen, die Wasserstoff-Erzeugung oder auch die Dämpfung des Strompreises durch die Abschaffung der Umlage für Erneuerbaren Energien fließen. Um es wirksam einzusetzen, müssten jetzt auch Planungsbeschleunigung oder Bürokratieabbau schnell vorankommen.

Mehr Geld für den Klima- und Transformationsfonds

Im Haushalt ist für die Energie-, Verkehrs- oder Industriewende ein Klima- und Transformationsfonds (KTF) vorgesehen, der mit dem Geld ausgestattet werden soll. Im Vergleich zu den Plänen der alten Regierung solle er nun um 90 Milliarden Euro anwachsen, hieß es in Regierungskreisen. Dazu kommen 20 Milliarden Euro an sogenannten Verpflichtungsermächtigungen. Diese werde meist beschlossen, wenn der genaue Bedarf noch nicht abzusehen ist.

In diesem Fall sollen sie in erster Linie für die geplanten Klimaverträge mit der Industrie eingesetzt werden. Damit soll der Umbau der Stahl-, Chemie und Zementindustrie in die Wege geleitet werden. Mit den Verträgen zwischen Bund und Unternehmen trägt der Staat die Mehrkosten für den Einsatz “grüner” Produktionstechnik gegenüber herkömmlicher Produktion. Wenn die Kosten umweltfreundlicher Herstellung über die Jahre sinkt und zugleich die Produktion mit Kohle oder Gas wegen Klima-Abgabe immer teurer wird, laufen die Verträge aus oder die Unternehmen zahlen sogar Geld zurück. Diese sogenannten CCFDs (Carbon Contracts for Difference) gelten als Schlüsselinstrument für den Umbau der Industrie.

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