Erster Prozess um Staatsfolter in Syrien: Plädoyer erwartet

Im laut Bundesanwaltschaft weltweit ersten Strafprozess um Staatsfolter in Syrien wird an diesem Donnerstag (9.30 Uhr) das Plädoyer der Verteidigung erwartet. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat nach dem Schlussvortrag seiner beiden Anwälte der syrische Angeklagte das letzte Wort. Das Urteil will der Staatsschutzsenat voraussichtlich am 108. Verhandlungstag am 13. Januar verkünden.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten Anwar R. Verbrechen gegen die Menschlichkeit 2011 und 2012 in der Anfangsphase des syrischen Bürgerkrieges vor. Der 58-Jährige soll in einem Gefängnis des Allgemeinen Geheimdienstes in der syrischen Hauptstadt Damaskus als Vernehmungschef für die Folter von mindestens 4000 Menschen verantwortlich gewesen sein. Mindestens 30 Gefangene seien währenddessen gestorben.

Der ehemalige Oberst hatte die Vorwürfe zu Prozessbeginn abgestritten. Die Bundesanwaltschaft hat kürzlich lebenslange Haft beantragt – und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, was eine Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausschließt.

Der international beachtete Prozess hatte im April 2020 mit zwei Angeklagten begonnen. Im Februar 2021 wurde der jüngere, der Syrer Eyad A., bereits zu viereinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Der 45-Jährige hatte nach Überzeugung der Richter in Syrien 2011 dazu beigetragen, 30 Demonstranten des Arabischen Frühlings ins Foltergefängnis des Hauptangeklagten zu bringen. Über die Revision von Eyad A. gegen sein Urteil ist noch nicht entschieden.

Das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht erlaubt es, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen. Anwar R. und Eyad A. waren nach ihrer Flucht in Deutschland von mutmaßlichen Folteropfern erkannt und 2019 in Berlin und Zweibrücken festgenommen worden.

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